07 September 2006

Regierung der Elfenbeinküste wegen Giftmüllskandal zurückgetreten

Abidjan (Elfenbeinküste), 07.09.2006 – Alle 32 Minister der ivorischen Übergangsregierung haben gestern laut staatlichem Rundfunk wegen eines Giftmüllskandals ihren Rücktritt eingereicht. Drei Menschen starben, weil sie giftige Dämpfe eingeatmet hatten. Für den Tod der Kinder ist Giftmüll verantwortlich, der heimlich in einem Wohngebiet in der ivorischen Großstadt Abidjan deponiert wurde. Medienberichten zufolge soll es sich dabei um mehrere Tonnen Müll handeln, die von einem von der niederländischen Firma „Trafigura Beheer B.V.“ gecharterten Frachter am 19. August in den Hafen von Abidjan transportiert wurden. Der Frachter mit dem Namen „Probo Koala“ war unter panamaischer Flagge unterwegs.
In den letzten Wochen hatten sich Einwohner von Abidjan vermehrt über starken Gestank beschwert. Mehrere hundert Bewohner – nach offiziellen Angaben 1.500 – der betroffenen Gegend werden wegen Augenreizungen und Übelkeit in Krankenhäusern behandelt. Die Krankenhäuser sind auf den Ansturm der Patienten nach eigenen Angaben schlecht vorbereitet; vor allem fehlten ihnen Medikamente. Laut „irinnews.org“, einem Informationsdienst der Vereinten Nationen, der sich in seinem Artikel auf die Aussage eines Vertreters der Gesundheitsbehörden beruft, verlangten einige Anwohner in den Krankenhäusern genaue Informationen über die Chemikalien, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, es handele sich um radioaktive Abfälle. Am Dienstag demonstrierten hunderte Bürger in der ivorischen Großstadt gegen die Untätigkeit der Regierung in dieser Angelegenheit. Die Demonstranten errichteten Barrikaden, um LKWs daran zu hindern, weitere Abfälle anzuliefern. Einzelne Demonstranten trugen Transparente, auf denen zu lesen war, „sie haben unsere Gesundheit verkauft“. Außerdem forderten sie von der Regierung eine Ansprache im staatlichen Fernsehen, in der dazu aufgerufen werden soll, die Straßen zu räumen, so dass medizinisches Personal zu den erkrankten Menschen kommen kann. Dieser Bitte kamen die Gesundheitsbehörden anschließend nach und erklärten, die Behörden versuchten herauszufinden, wo der Müll abgelagert wurde. Erste Proteste hatte es bereits am Montag nahe der Stelle, an der der Müll deponiert wurde, gegeben. In einem Zeitungsbeitrag hatte Parlamentspräsident Mamadou Koulibaly dem Transportminister des Landes vorgeworfen, Geld von der Firma angenommen zu haben, die den Müll deponiert hat. Das Transportministerium stritt die Vorwürfe daraufhin ab. Auch gibt es bei diesem Vorfall verschiedene Zuständigkeiten. Der Hafen von Abidjan wird von der regierenden Partei „FPI“ kontrolliert, und der Transportminister war der Führer der oppositionellen Partei „MFA“.
Am Mittwoch nahm Präsident Laurent Gbagbo den Rücktritt der Minister an. Es handelte sich um ein Übergangskabinett der nationalen Einheit, dem ehemalige Rebellenführer, Oppositionspolitiker und Anhänger des Präsidenten angehörten. Die Regierung war nach dem Ende des Bürgerkrieges gebildet worden, der von 2002 bis 2003 dauerte. Nach dem Rücktritt der Minister kündigte Ministerpräsident Charles Konan Banny an, noch heute eine neue Regierung zu bilden. Dies wurde gestern abend auf einer Krisensitzung in Yamoussoukro, der Hauptstadt des Landes, beschlossen. Auf dem Treffen sagte Präsident Laurent Gbagbo, dass die für den Vorfall Verantwortlichen verfolgt werden müssten. Laut Raymond Tchimou, dem ivorischen Bundesstaatsanwalt, wurden drei Menschen festgenommen, die in die illegale Müllentsorgung verwickelt sein sollen. Umweltschützer halten es für eine gängige Praxis, dass Müll in Entwicklungsländern entsorgt wird, weil es dort weniger strenge Richtlinien gebe und lokale Behörden häufig korrupt seien. In einem im Dezember veröffentlichten Bericht der Umweltschutzorganisation Greenpeace heißt es, dass bereits mehrere hundert Menschen in Entwicklungs- oder Schwellenländern an Unfällen mit Giftmüll oder durch die Folgen illegal entsorgten Giftmülls gestorben seien. Indien, Pakistan und China seien davon besonders betroffen. Helen Perivier von Greenpeace sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, ihre Organisation sei über den Transport in Richtung Elfenbeinküste informiert worden. Laut Helen Perivier wurde das Schiff in der spanischen Hafenstadt Algeciras beladen und brach von dort in Richtung Westafrika auf. Fünf Staaten, darunter Nigeria, hätten dem Frachter die Einfahrt in ihre Häfen nicht erlaubt.
„Trafigura Beheer B.V.“ beschuldigt einen lokalen Vertragspartner, den Müll falsch entsorgt zu haben. Laut einem Bericht der Regierung der Elfenbeinküste enthält der illegal abgelagerte Müll verschiedene Chemikalien, darunter Schwefelwasserstoff, ein Gas, das in hoher Konzentration für den Menschen tödlich ist, sowie ebenfalls toxische Alkanthiole. Das niederländische Unternehmen ließ verlautbaren, dass es die Regierung zuvor über den Inhalt der Fracht des gecharterten Frachtschiffs informiert habe. Nach Angaben von „Trafigura Beheer B.V.“ bestand die Fracht des Schiffes aus Treibstoff, der ein Gemisch aus Benzin, Schwefel und hochkonzentrierte schwefelhaltige Verbindungen enthielt. Im staatlichen Radio kündigten die Behörden an, dass ein französischen Reinigungsteam nach Abidjan geschickt werde, um den Giftmüll zu beseitigen. +wikinews+

02 September 2006

UN-Sicherheitsrat will Blauhelme in die Darfur-Region schicken – Der Sudan lehnt ab

New York (Vereinigte Staaten), 02.09.2006 – Die sudanesische Regierung hat die Entsendung von 22.500 Soldaten und Polizisten unter UN-Mandat in die Krisenregion Darfur abgelehnt. Sie bezeichnete den Beschluss des UN-Sicherheitsrates, der ein robustes Mandat vorsieht, als „illegal“. Schon derzeit sind in der sudanesischen Provinz Darfur Soldaten stationiert, allerdings unter der Führung der Afrikanischen Union, deren Mandat jedoch gegen Ende des Monats ausläuft. Damit die Europäische Union den Oberbefehl über die Truppen übernehmen darf, ist die Zustimmung der sudanesischen Regierung erforderlich. Regierungsvertreter des Sudan kritisierten zudem, dass ihre Regierung bei der Entscheidung im Sicherheitsrat nicht konsultiert worden sei.

Die Erfolgsbilanz der in Darfur stationierten AU-Truppen fällt eher mager aus. In der vergangenen Zeit wurde sogar eine Verschlimmerung der Lage verzeichnet. +wikinews+

22 August 2006

Im Kongo kommt es nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu Kämpfen

Kinshasa (Demokratische Republik Kongo), 22.08.2006 – Nach Bekanntwerden der Ergebnisse der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo kam es in der Hauptstadt Kinshasa zu Schießereien.

Nach dem vorläufigen, von der Wahlkommission bekanntgebenen Wahlergebnis entfielen bei der Präsidentschaftswahl 44,81 Prozent der abgegebenen Stimmen auf Amtsinhaber Joseph Kabila und 20,03 Prozent auf den amtierenden Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba. Weil keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erreicht hat, wird es am 29. Oktober zu einer Stichwahl zwischen Kabila und Bemba kommen. An der Wahl am 30. Juli hatten 70,54 Prozent der 25 Millionen registrierten Wähler teilgenommen. Kabila wurde besonders im Westen der Demokratischen Republik Kongo gewählt, sein stärkster Herausforderer war dagegen vor allem im Osten des Landes beliebt, wo auch Antoine Gizenga die meisten Anhänger hat. Antoine Gizenga landete mit 13,06 Prozent der abgegebenen Stimmen auf dem dritten Platz.

Kandidaten können nun in den nächsten drei Tagen beim obersten Gerichtshof des Landes Beschwerden einlegen, die das Gericht innerhalb von sieben Tagen bearbeiten muss, bevor es am 31. August das offizielle Endergebnis bekanntgeben wird. 33 Präsidentschaftskandidaten haben bereits angekündigt, wegen der ihrer Meinung nach massiven Wahlfälschungen Beschwerden einzureichen. Der Amtsinhaber trat nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse im Fernsehen auf und sagte, er habe einen großen Erfolg errungen.

Am Sonntag lieferten sich Anhänger von Jean-Pierre Bemba in Kinshasa Gefechte mit der Präsidentengarde. Der ehemalige Rebellenführer Jean-Pierre Bemba unterhält eine Truppe von Sicherheitskräften. Auch UN-Soldaten der MONUC waren in die Kämpfe verwickelt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters sind die MONUC-Soldaten unter Beschuss geraten und haben dann das Feuer erwidert. Auch gestern kam es im Zentrum der Hauptstadt zu Schusswechseln nahe des EUFOR-Stützpunkts am Flughafen N'Dolo. Dabei wurden zum ersten Mal die schnellen Eingreifkräfte der EUFOR eingesetzt. EUFOR-Sprecher Thierry Fusalba gab bekannt, dass rund 150 Soldaten einer spanischen Eingreiftruppe mit einem Dutzend Panzern in der Stadt Stellung bezogen haben. Nach Angaben des Oberstleutnants Peter Fuss kann die schnelle Eingreiftruppe binnen 15 Minuten reagieren. Die Soldaten der Europäischen Union sollen laut Resolution 1671 der Vereinten Nationen die MONUC unterstützen und unter anderem einen Beitrag zur Sicherung des Flughafens von Kinshasa liefern sowie bei Gefahrensituationen Evakuierungsmaßnahmen durchführen. Bei der MONUC, die mit 17.000 Soldaten in der Demokratischen Republik Kongo aktiv ist, handelt es sich um den größten friedenssichernden Einsatz der Vereinten Nationen. Die MONUC-Soldaten sind hauptsächlich in den östlichen Provinzen des Landes stationiert.

Einige Diplomaten suchten wegen der Gefechte Schutz im Haus des Oppositionsführers Bemba, darunter der britische Botschafter und der Leiter der UN-Mission im Kongo. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP, die sich auf eine anonyme Quelle beruft, wurde der Privathubschrauber des Oppositionspolitikers zerstört. Das Haus des Politikers wurde laut AFP von der Präsidentengarde mit schweren Waffen beschossen. Wie es zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen ist, ist unklar. Anhänger von Kabila und Bemba machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Nach Angaben von Kemal Saiki, einem Sprecher der UN-Mission, wollte die Präsidentengarde einige Kämpfer von Jean-Pierre Bemba entwaffnen.

Bei den Kämpfen in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo kamen fünf Menschen ums Leben, sieben bis zehn wurden verletzt. Die MONUC beabsichtigt, die Situation durch Gespräche mit Joseph Kabila und Jean-Pierre Bemba zu beruhigen.

Bei der Wahl, mit der ein fünf Jahre andauernder Konflikt beendet werden soll, handelt es sich um die erste freie Abstimmung mit mehreren Kandidaten seit der Unabhänigkeit des Landes im Jahr 1960. +wikinews+
  • Kongo
  • 18 August 2006

    Reaktionen auf Urteil gegen einen Friedensaktivisten im Sudan

    Khartum (Sudan), 18.08.2006 – Nach der Verurteilung von Tomo Križnar, dem Friedensaktivisten, Schriftsteller und Sondergesandten des slowenischen Präsidenten im Sudan, wegen „illegaler Einreise, Spionage und Verbreitung falscher Nachrichten“ am 14. August regt sich Widerstand.

    Tomo Križnar war im Februar 2006 mit Hilfe von Rebellen aus dem benachbarten Tschad in die sudanesische Krisenregion Darfur eingereist, um als Sondergesandter der slowenischen Regierung die dortigen Zustände zu untersuchen. Am 20. Juli wurde er verhaftet und anschließend aufgrund der oben genannten Tatbestände von einem Gericht in Al-Fashir im Bundesstaat Schamal Darfur (Nord-Darfur) zu zwei Jahren Haft und einem Bußgeld von 500.000 Dinar (2.400 US-Dollar) verurteilt. Seine Fotoausrüstung sowie Film- und Fotomaterial wurden beschlagnahmt.

    Die Regierung Sloweniens fordert die Freilassung Tomo Križnars. Der slowenische Präsident Janez Drnovšek schrieb einen entsprechenden Brief an seinen sudanesischen Amtskollegen Omar al-Bashir. Laut dem slowenischen Außenministerium ist der slowenische Konsul in Ägypten auf dem Weg nach Al-Fashir, um Križnar zu besuchen.

    Die slowenische Sektion von amnesty international plant eine Protestkampagne zugunsten Križnars. Die Menschenrechtsorganisation „Aegis Trust“ hat dazu aufgerufen, Visaanträge an sudanesische Botschaften zu richten, um „nach Darfur zu reisen und Tomo Križnar im Gefängnis zu besuchen“.

    Križnars sudanesischer Anwalt, Mohammed Madjub, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und sieht gute Chancen, dass es angesichts des internationalen Drucks nicht vollstreckt und sein Mandant stattdessen des Landes verwiesen wird.

    17 August 2006

    Viele Tote durch Überschwemmungen in Äthiopien

    Dire Dawa (Äthiopien), 17.08.2006 – In Äthiopien kam es wegen anhaltender schwerer Regenfälle zu Überschwemmungen, durch die viele Menschen starben. Das Land hat die internationale Gemeinschaft um Unterstützung gebeten.
    Durch die Überschwemmungen kamen laut einem Artikel der Nachrichtenagentur Reuters 900 Menschen ums Leben, zehntausende Menschen befinden sich auf der Flucht. Die äthiopische Polizei beziffert die Anzahl der Menschen, die durch die Überschwemmungen gestorben sind, auf 626, befürchtet aber weitere Tote. Seit Beginn des Monats sind weite Teile des Landes überflutet. Die äthiopische Regierung warnt vor möglichen weiteren Überschwemmungen in allen Teilen des Landes. Die wichtigsten Dämme des Landes befänden sich nahe der Grenze der Belastbarkeit. Nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mussten 10.000 Menschen ihre Heimat nahe des Tanasees im Norden Äthiopiens verlassen. Die Hilfsorganisation geht davon aus, dass sich die Zahl in den nächsten Wochen auf 35.000 Menschen erhöhen könnte. Helfer konnten nach eigenen Angaben im Süden Äthiopiens 6.000 Menschen vor den Fluten retten. Dort starben am Sonntag aufgrund der Überschwemmung des Omo-Flusses über 300 Menschen. Auch der Awash-Fluss im Norden Äthiopiens ist über die Ufer getreten. In dieser Region mussten laut Behördenangaben 7.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Nach den schweren Überschwemmungen wird der Ausbruch von Cholera befürchtet.

    Die Überschwemmungen sind Folge der seit zwölf Tagen anhaltenden heftigen Regenfälle. Die Regenzeit könnte nach Angaben des Leiters der griechischen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“ in diesem Jahr bis September andauern. Wettervorhersagen kündigen für die nächsten Wochen für ganz Äthiopien Regenfälle an, die heftiger sein werden als üblich. Üblich ist eine Regenzeit von Juni bis August. Schwere Regenfälle im Hochland führen zu den schweren Überschwemmungen in tiefer gelegenen Gebieten. Auch in den vergangenen Jahren waren Gebiete im Süden und Osten Äthiopiens von Überflutungen betroffen. Im letzten Jahr litt das Land am Horn von Afrika unter einer Dürre.

    Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe hat das Land die internationale Gemeinschaft um Unterstützung gebeten. Der Hilferuf erfolgte durch einen Behördenvertreter, der sich zuvor mit einem Hubschrauber aus der Luft einen Überblick verschaffte. Bisher hätten nicht näher definierte „Hilfstrupps“ 6.000 Menschen aus dem Überschwemmungsgebiet gerettet. Entlegene Regionen sollen mit Hubschraubern und Schnellbooten erreicht werden, da dort noch viele Viehhirten vom Wasser eingeschlossen sind.

    Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) hat in der Zwischenzeit damit begonnen, etwa 10.000 Menschen in der Region Dire Dawa im Osten des Landes, die von den Behörden zum Katastrophengebiet erklärt wurde, mit Lebensmitteln zu versorgen. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung des WFP wurden zunächst 2.000 Menschen in Hütten mit Lebensmitteln versorgt. Für die kommenden Wochen sind weitere Hilfsmaßnahmen geplant, da die Infrastruktur in der Region teilweise zerstört ist. In der Region Dire Dawa dienen Klassenzimmer und ungenutzte Lagerhäuser derzeit als Unterschlupf für Menschen, die ihre Dörfer verlassen mussten. Die nationalen Rettungsdienste einschließlich der Armee und die internationalen Organisationen sind trotz der angelaufenen Hilfe jedoch überlastet. So sagte der für die Omo-Region zuständige Kokoordinator für Naturkatastrophen, Deftalgne Tessema, gegenüber der BBC, dass nur 14 Motorboote im Einsatz seien, um Menschen in Sicherheit zu bringen, die auf Inseln festsäßen. Die Boote sind laut Deftalgne Tessema zudem recht klein. Tegaye Mununhe, der Polizeichef der betroffenen Region, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass nun weitere Boote im Einsatz seien und die Suche nach Überlebenden und Vermissten Tag und Nacht fortgeführt werde.

  • Welthilfe
  • 05 Juni 2006

    Islamistische Milizen übernehmen Kontrolle über Mogadischu

    Mogadischu (Somalia), 05.06.2006 – Milizen der „Union Islamischer Gerichte“ haben nach eigenen Angaben heute die Kontrolle über die somalische Hauptstadt Mogadischu übernommen. In einer Radioansprache erklärte ein Vorsitzender der „Union islamischer Gerichte“ den Sieg der Union über die rivalisierende „Alliance for the Restoration of Peace and Counterterrorism“ (ARPCT), einem Bündnis verschiedener Kriegsherren und ihrer Kämpfer in Mogadischu, und sagte, dass die Union Frieden und Sicherheit in der Stadt wiederherstellen wolle.

    In einem Artikel der New York Times wird davon berichtet, dass die Kriegsherren und ihre Kämpfer, die Mogadischu während der letzten 15 Jahre kontrolliert haben, aus der Stadt geflohen sind. Die Kämpfer der Kriegsherren wurden aus dem strategischen Zentrum der Hauptstadt vertrieben, einer ihrer Anführer wird in einem Krankenhaus im Norden Mogadischus behandelt. Am Montagmorgen beschlagnahmten Kämpfer der islamistischen Union im Bezirk Deynile 25 Fahrzeuge der ARPCT sowie Waffen. Nach Angaben von Ali Musa Abdi, einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP, der sich in Mogadischu aufhält, war es zum Zeitpunkt, als die islamistische Union ihren Sieg erklärte, relativ ruhig in der somalischen Hauptstadt. Nach Angaben des Reporters kontrollieren die islamistischen Milizen die meisten Teile der Stadt. Nur wenige, kleine Teile der Stadt befänden sich noch unter der Kontrolle ihrer Gegner.

    Anführer der islamistischen Union hätten mit Journalisten vor Ort darüber gesprochen, wie sie die Stadt regieren wollen. So hätten sie die Einwohner der Stadt und Intellektuelle dazu eingeladen, sich ihnen anzuschließen. Ein anderer Artikel der Nachrichtenagentur AFP enthält Zitate von Einwohnern der Stadt, die den Sieg der islamistischen Union kommentieren. Einige Einwohner äußern die Hoffnung, dass es nun zu einem Frieden in der Stadt kommen werde, andere fordern von den neuen Machthabern den schnellen Aufbau einer Polizei und einer Regierung.

    In den letzten Jahren hat die „Union Islamischer Gerichte“ in Somalia an Einfluss gewonnen, indem sie das Machtvakuum, das durch eine schwache Regierung entstanden war, mit islamischem Recht füllte. Die Mehrheit der somalischen Bevölkerung ist muslimisch. Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes kamen bei den jüngsten Gefechten zwischen den beiden Konfliktparteien 300 Menschen ums Leben, 1.700 Menschen wurden verletzt. Die somalische Übergangsregierung, die sich nach zweijährigen Friedensverhandlungen gebildet hat, hatte als Regierungssitz Baidoa, am Rande von Mogadischu, gewählt, weil sie die Kontrolle über die Hauptstadt angesichts vieler bewaffneter Kämpfer nicht übernehmen könne. Der derzeitige Regierungssitz ist Kenia. Die Regierung hatte bereits einen Gouverneur und einen Bürgermeister für Mogadischu ernannt.

    Als am Sonntag bekannt wurde, dass ein Sieg der islamistischen Union in Mogadischu wahrscheinlich wird, wurden vier Minister entlassen, die als Kriegsherren die selbsternannte Antiterrorallianz unterstützt hatten, unter ihnen der Minister für nationale Sicherheit, Mohamed Qanre Afrah. Zuvor waren die Kabinettsmitglieder aufgefordert worden, sich nicht an den Kämpfen zu beteiligen. Auf der Kabinettssitzung beschloss die Regierung zudem, Verhandlungen mit den neuen Machthabern in der Hauptstadt aufzunehmen. Die „Antiterrorallianz“ der Kriegsherren soll von der US-Regierung unterstützt worden sein, weil von ihr vermutet wird, dass die islamistische Union Al-Qaida-Führern Unterschlupf gewährt. Offiziell hat die US-Regierung die Unterstützung der Kriegsherren weder bestätigt noch dementiert.

    31 Mai 2006

    Somalia: Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen gehen weiter

    Mogadischu (Somalia), 31.05.2006 – Nach drei Tagen relativer Ruhe sind in der somalischen Hauptstadt Mogadischu neue Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen ausgebrochen. Mitglieder der „Alliance for the Restoration of Peace and Counter-Terrorism“ (ARPCT), einer Vereinigung verschiedener Kriegsherren und ihren bewaffneten Anhängern liefern sich Kämpfe mit der „Union islamischer Gerichte“, einer Miliz, die für die Durchsetzung der Schari'a kämpft. Bei den neuen Kämpfen zwischen den beiden Gruppen starben nach Angaben der BBC mindestens 13 Menschen. Der ARPCT gehören acht Kriegsherren an, darunter vier Mitglieder der amtierenden somalischen Regierung.

    Nach BBC-Angaben haben Kämpfer der islamistischen Union eine Werkstatt im Norden Mogadischus angegriffen und unter ihre Kontrolle gebracht, die der selbst ernannten Antiterrorallianz als Militärbasis gedient hatte. Damit kontolliert die „Union islamischer Gerichte“ inzwischen drei Militärbasen, die zuvor von der ARPCT genutzt worden waren. In anderen Berichten ist von fünf Toten und dutzenden Verletzten die Rede. Als es zu den neuen Kämpfen im Bezirk Huriwa in Mogadischu gekommen ist, flohen Augenzeugenberichten zufolge Einwohner aus den betroffenen Wohnvierteln. Kämpfer der ARPCT wurden zum Verlassen des Bezirks gezwungen. Nach Angaben eines Augenzeugen, der in einem Artikel von „BBC News“ zitiert wird, waren 300 islamistische Kämpfer mit etwa 30 Fahrzeugen an dem Angriff beteiligt, den der Augenzeuge als Überraschungsangriff einstuft.

    Seit Beginn der Kämpfe zwischen den rivalisierenden Gruppen sollen bereits mindestens 200 Menschen getötet und mehr als 1.000 Menschen verletzt worden sein, darunter viele Zivilisten. In der letzten Woche war eine Waffenruhe vereinbart worden, die nicht eingehalten wurde. Der US-Diplomat Michael Zorick, der sich kritisch über die Unterstützung der ARPCT durch die USA geäußert hatte, wurde am Dienstag von seinem Posten in Nairobi, Kenia, abgezogen. Die USA werfen den islamistischen Milizen in Somalia vor, Al-Qaida-Kämpfern Unterschlupf zu gewähren.

    Nach dem Sturz des Diktators Mohamed Siad Barre durch Rebellen im Jahr 1991 gab es in Somalia einen Zustand der Rechtlosigkeit. Seit 2004 gibt es eine somalische Regierung mit Sitz in Kenia. Die Kämpfe in der somalischen Hauptstadt gelten als die schlimmsten Kämpfe seit einem Jahrzehnt.

    Der Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten in Somalia, Eric Laroche, äußerte sich sehr besorgt über Berichte, wonach bei den Kämpfen Krankenhäuser angegriffen wurden, wodurch internationales Recht verletzt worden sei. Eric Laroche appellierte an beide Konfliktparteien, Maßnahmen zu treffen, die den Tod von Zivilisten verhinderten. Wenn Verletzten der Zugang zu medizinischer Versorgung verhindert würde, sei dies ein Bestandteil künftiger Kriegsverbrechen, heißt es in einer Pressemitteilung des UN-Koordinators vom 29. Mai. Der UN-Koordinator befürchtet, dass sich der bewaffnete Konflikt in Somalia ausbreiten könnte. Der UN-Generalsekretär hatte beide Gruppen am Samstag zu einer sofortigen, bedingungslosen Waffenruhe aufgefordert.