22 Februar 2011

Weltweiter Flächenbrand und Komplettversagen

Wir staunen, wie in kürzester Frist ein Unterdrückerregime nach dem anderen kollabiert, einschließlich der damit verbundenen Wirtschaftssysteme. Ein immer größerer Teil der Weltwirtschaft ist betroffen - und so schnell kommt kein Phönix aus der Asche. Die riesigen Politikapparate Europas sind unvorbereitet und überrascht, fühlen sich von historisch vergleichsweise wenigen "Wirtschaftsflüchtlingen" bedroht - anstatt jetzt einfach mal intensivst zu helfen und positive Teilhabe am Wandel zu praktizieren/demonstrieren, denn im Heute definiert sich viel Zukunft. Die "Thinktanks" schweigen und der Innenminister schwafelt, Deutschland könne schließlich nicht der ganzen Welt helfen, als sei das gefordert und als redeten sich nicht alle reicheren Staaten mit dem selben Spruch aus Verantwortung raus.

Wenn Westerwelle nach Tunesien flog, dann war das eine nette und richtige Geste, aber im Gepäck war zu wenig, denn die versprochene "Hilfe beim Aufbau einer unabhängigen Justiz" ist allemal nachrangig, wenn es ums nackte Überleben z.B. in der für viele Tunesier wichtigen Tourismus-Branche geht. Warum fliegt kein DGB-Vorstand hin und exportiert mal Mitsprache-Bewährtes? Warum wissen unsere Zeitungen nichts zu berichten, welche tunesischen Wünsche Westerwelle mit auf die Heimreise nahm? - Und der Flächenbrand geht weiter, in dem nicht nur Unterdrücker, sondern auch Hoffnungen untergehen, wenn Hilferufe ungehört bleiben.

China, Libyen, Marokko und Tote

Obwohl Peking die Berichterstattung über die Aufbrüche in den arabischen Staaten kurz hält, kam es in zahlreichen Metropolen Chinas zu "Jasmin-Demonstrationen". Teilnehmer und vermeintliche Rädelsführer werden verhaftet, die Auslandspresse behindert und Internetsperren vorgenommen.

Wurde bis zur gestrigen TV-Ansprache eines Gaddafi-Sohns noch spekuliert, wie die Berichte über Unruhen zu bewerten sind, ist seit den öffentlichen Drohungen und durch Berichte rückreisender Deutscher klar, dass Libyen auf einen politischen Großkatastrophe zudriftet. Die EU reagierte mit angemessenen Ermahnungen und Warnungen. Andererseits lässt es die EU an jetzt dringend erforderlichen Hilfen für Flüchtende fehlen.

Auch vor Marokko macht der Aufbruch nicht Halt. Auch dort reagiert das Regime mit Todesschüssen. Auf wessen Seite wir stehen, wird daran gemessen, wem wir beim Ertrinken zusehen.

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11 Februar 2011

Ägyptens Sieg für die Menschenwürde



Ein historischer Tag. Und geschafft mit Mut, Ausdauer und friedlichen Mitteln.

Jetzt werden dort und überall viele lernen müssen, miteinander zu reden, mit denen sie und worüber sie vorher nicht reden wollten.
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03 Februar 2011

Mubaraks gefälschte Anhänger

Gestern war zu sehen, wie berittene Mubarak-Anhänger auf Pferden und Kamelen die Protestierenden auf dem Tahrir-Platz in Kairo angegriffen. Mit gewöhnlichen Reitpferden sind solche Einsätze unmöglich, denn Pferde sind Fluchttiere. Nur mit äußertem Drill, also mit polizeilicher oder militärischer Ausbildung und äußerster Abstumpfung lassen sich Pferde in Straßenkämpfe führen. Die Gerüchte stimmen: Es ist berittene Polizei ohne Uniform.

Mubaraks Medien behaupten, dass hinter den Unruhen eine Verschwörung Israels und Katars stecke. Die Beschuldigung gegen Katar erfolgt wegen des dort beheimateten Senders Al Jazeera, der durch authentische Berichterstattung den Diktatoren-Regimes Probleme macht. Solche Berichterstattung als Verschwörung anzugiften, ist absurde Logik absurder Regimes.

Die Beschuldigung gegen Israel ist "noch falscher", denn Israel macht sich zum Verdruss seiner Verbündeten für die Unterstützung Mubaraks stark. Warum giftet Mubarak dennoch gegen Israel? Weil er den in der arabischen Welt verbreiteten Antiisraelismus für sein Regime aktivieren will. Damit tut er aus innenpolitischen Gründen genau das, was auch Saddam Hussein machte, der in den Jahren seines Niedergangs zum Israel-Hasser wurde. Nebenbei: Darum ist es richtig, dass Merkel gerade jetzt die israelische Regierung zu ernsthaften Verhandlungen mit den Palästinensern und zur Beendigung der sogenannten "Siedlungspolitik" drängt.
Wie wird es weitergehen? Im Unterschied zum Iran, der sein Öl (falls nicht an den Westen) einfach an Indien und China verkauft, kann Ägypten seine Bürokratie, das Militär und die Polizei nicht aus Erdöl-Einnahmen bezahlen, allenfalls mit Suezkanal-Gebühren experimentieren, aber ist entscheidend auf den Tourismus angewiesen. Und Tourismus ist scheu, wenngleich nicht vor Diktatoren, so doch, wenn die eigene Haut Kratzer bekommen kann. Mubarak wird seinen Machtapparat einbüßen, während 80 Mio. Ägypter leben wollen. Und sie können das keineswegs auf einem Gebiet, das "dreimal größer als Deutschland" sei, wie es die Talkshow "Hart aber fair" gestern mit Grafiken unwidersprochen Glauben machte, sondern auf der schmalen Vegetationsader des Nils, dessen Anbauflächen durch Überbevölkerung schwinden.

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